Nähen ohne Stoff ist zwar möglich, aber Textilien bilden den Großteil der heutzutage verarbeiteten Materialien. Die Auswahl ist riesig – ohne eine genaue Angabe in der Anleitung ist es oft schwierig, sich für einen Stoff für ein Projekt zu entscheiden. Ein guter Startpunkt hierfür ist zu wissen, wodurch sich verschiedene Textilien voneinander unterscheiden. In der folgenden Stoffkunde möchten wir Euch etwas von dem Wissen vermitteln, das bei HobbynäherInnen gern einmal unter den Nähtisch fällt – von A wie Atlasbindung bis Z wie Zwirn, welche Stoffarten gibt es überhaupt? Was ist Bindung? Und was war nochmal der Strich?
Fasern für die Stoffherstellung
Tierische Fasern
Den Großteil der tierischen Fasern macht Wolle aus. Ob Schaf, Ziege, Kamel oder Kaninchen, die aus Fellhaaren gesponnene Wolle gibt schon seit langer Zeit in Form von Filz-, Web- und Maschenware eine gute Figur ab. Eine sehr edle tierische Faser, die ursprünglich aus dem asiatischen Raum kommt, ist die Seide, aus der Seidenraupen ihre Kokons spinnen.
Pfanzliche Fasern
Zu den pflanzlichen Fasern gehören unter anderen Baumwolle, Leinen, Hanf, Akon, Kenaf, Ramie, Kapok und Jute. Kokos und Sisal werden aufgrund ihrer Beschaffenheit weniger zu Bekleidungstextilien und mehr zu Dekorationsartikeln oder Bodenmatten verarbeitet.
Synthetische Fasern
Synthetische Fasern werden in natürliche und künstliche Fasern unterschieden. Bei der natürlichen Variante durchlaufen pflanzliche Fasern einem chemischen Prozess, der sie zu langen Fasern verarbeitet, welche dann weiterverarbeitet werden. So wird, einfach gesagt, z.B. Holz zu Viskose und Modal. Die so produzierten Fasern werden auch Regeneratfasern genannt. Chemiefasern, die künstliche Variante, werden aus Bestandteilen wie etwa Öl und Alkohol hergestellt, was ihnen plastikähnliche Eigenschaften verleiht.
Desweiteren gibt es auch noch mineralische Fasern aus z.B. Glas und Metall, diese sind aufgrund ihrer Beschaffenheit jedoch in der Industrie angesiedelt.
Vorbereitete Fasern, egal ob tierisch, pflanzlich oder synthetisch, werden zu Garnen versponnen und je nach Bearbeitung in drei Arten unterteilt. Bei Kammgarnen werden Verunreinigungen und kurze Fasern ausgekämmt. Dabei legen sich auch alle Fasern in die gleiche Richtung, was zu einer sehr gleichmäßigen Struktur des Garns beim Spinnen führt. Halbkammgarne sind nicht ganz so sorgfältig gekämmt, wodurch eine leicht unregelmäßige Struktur entsteht. Streichgarn hingegen wird gar nicht gekämmt und produziert beim Spinnen ein raues und unregelmäßiges Garn. Vor der Weiterverarbeitung werden Garne meist verzwirnt – das heißt, mehrere von ihnen werden zu einem Faden ineinander verdreht und bilden als Zwirn ein stärkeres Ausgangsmaterial.
Herstellungsverfahren bei Stoffen
Filz-, Walkfilz- und Walkstoffe
Filz gehört zu den ältesten Textilien der Welt. Der Filzrohstoff, meistens Tierhaare, wird vor dem eigentlichen Filzvorgang zu einem lockeren Vlies ausgelegt. Beim Trockenfilzen stechen wiederholt kleine Nadeln mit Widerhaken in das Vlies und verhaken sie zu einer zusammenhängenden Textilie. Wird nass gefilzt, wird auch von Walkfilz gesprochen – unter Druck, Reibung und feuchter Wärme wird das Vlies zu einem festen Material zusammengestaucht. Bei Walkstoffen wird als Ausgangsmaterial Maschenware verwendet, bei der die Oberfläche so verfilzt wird, dass die ursprüngliche Struktur kaum bis nicht mehr erkennbar ist.
Maschenware
Maschenware wird aus einem oder mehreren sich verschlingenden Fäden hergestellt, wodurch das Produkt relativ offen und mehr oder weniger elastisch ist. Dazu zählen Strick-, Wirk- sowie Häkelstoffe. Während bei Strick- und Häkelwaren der Faden und somit die Maschen horizontal verlaufen, werden beim Wirken senkrecht übereinanderliegende Maschenreihen produziert. Wirkwaren werden nur industriell hergestellt und in zwei Kategorien eingeteilt: Kulierwirkware, welche optisch nicht von Strickware zu unterscheiden ist, und Kettenwirkware. Hier bearbeiten eine Vielzahl von Nadeln ihre Schlingen und Fäden so, dass durch abwechselndes Greifen auch benachbarter Fäden eine zusammenhängende Textilie und nicht nur einzelne Luftmaschenketten entstehen. Augrund des Unterschieds bei Längs- und Querspannung bei Maschenwaren ist es unbeding notwendig, beim Zuschnitt auf den Fadenlauf des Materials zu achten. Alle Einzelteile sollten gleich ausgerichtet sein, um Verzerrungen beim fertig genähten Projekt zu vermeiden.
Webware
Gewebte Stoffe bestehen aus Kett- und Schussfäden. Kettfäden werden parallel zueinander gespannt, der Schussfaden wird im Winkel mit 90° über oder unter die Kettfäden gewoben. Wenn Schussfäden am Rand um den äußersten Kettfaden ihre Richtung wechseln, bilden sie die Webkante. Da die Spannung von Kett- und Schussfäden meist leicht unterschiedlich ausfällt, ist es auch hier wichtig, auf den Fadenlauf zu achten. Dieser ist bei einer vorhandenen Webkante schnell festgestellt – er läuft wie die Kettfäden parallel zu ihr.
Bindungslehre
Als Bindung wird die Art der Verkreuzung von Kett- und Schussfäden bezeichnet. Die Leinwandbindung ist die ursprüngliche und einfachste Bindungsart: Jeder Kettfaden liegt abwechselnd über, dann unter einem Schussfaden. Dabei entsteht ein einfaches Geflecht. Varianten der Leinwandbindung sind die Panama- und die Ripsbindungen (Quer/Kettrips- und Längs-/Schussrips).
Das wohl bekannteste Beispiel für Köperbindung ist der blau-weiße Jeansstoff Denim. Bei dieser Bindung ist das Geflecht von Kett- und Schussfäden so verschoben, dass die sichtbaren bzw. nicht sichtbaren Fäden Linien bilden. Das dabei enstehende diagonale Muster wird als Köpergrat oder Diagonalgrat bezeichnet. Je nach Anordnung und Winkel des Köpergrats wird dabei unterschieden in Gleichgratköper, Mehrgratköper, Breitgratköper, Steil- sowie Flachgratköper, Spitzköper, Fischgratköper und Kreuzköper. Das Geflecht ist zweiseitig, je nachdem, ob auf einer Seite mehr Kett- oder Schussfäden zu sehen sind, spricht man somit von Kett- oder Schussköper.
Die dritte Grundbindung, die Atlasbindung, wird aufgrund ihres Hauptanwendungsgebietes auch Satinbindung genannt. Der Schussfaden wird abwechselnd unter einen Kettfaden, dann über mehrere Kettfäden geführt. Die nächsten Schussfäden verschieben den Bindungspunkt jeweils um mindestens zwei Kettfäden nach rechts und lassen so einen zweiseitigen Stoff entstehen, der wie bei der Köperbindung in Kettatlas und Schussatlas eingeteilt werden kann. Die glatte rechte Seite des Stoffes besitzt einen schönen Glanz, während die linke Seite matt ist. Streifen- und Buntsatin sind mögliche Varianten, ein Wechsel zwischen Kett- und Schussatlas lässt den doppelseitigen Damast enstehen, welcher tolle Musterungen ermöglicht. Brokat ist wiederum eine Abart von Damast, die wunderschöne farbige Gestaltung zulässt, aber eine eindeutige Vorder- und Rückseite besitzt.
Strich
Neben dem Fadenlauf ist auch der Strich eine Stoffeigenschaft, die auf jeden Fall beachtet werden sollte. Bei dreidimensionalen Stoffen, wie z.B. Samt und Plüsch, sind auf dem Grundtextil Schlingen angebracht, welche dem Stoff Fülle und Flauschigkeit verleihen. Oft sind diese auch aufgeschnitten, um sie noch anschmiegsamer werden zu lassen. Die Richtung, in der dieser sogenannte Flor steht, wird als Strich bezeichnet. Um eine gleichartige Optik der zugeschnittenen Einzelteile zu gewährleisten, sollte der Strich, falls vorhanden, immer überprüft werden – streichelt doch Euren nächsten Stoff einmal.