Es gibt kaum ein Textil, das so geschichtsträchtig ist, wie die Seide! Dies liegt vor allem an der feinen Qualität des Stoffes, die von der Antike bis ins Mittelalter unerreichbar war, aber auch an dem fernen Herstellungsland China. Händler transportierten das Gewebe über lange Routen, die als „Seidenstraße“ bekannt wurden, bis nach Europa. Das Gut war so kostbar, dass es sich nur wohlhabende Bürger, Adelsleute und Königshäuser leisten konnten. Heute machen Stoffe aus Kunstfaser der echten Seide Konkurrenz, aber der seidigen Oberfläche und dem schönen Glanz kann keiner von ihnen das Wasser reichen.
Verschiedene Seidenarten
Seide ist nicht gleich Seide – das Material wird nach verschiedenen Gesichtspunkten unterschieden: nach Seidenspinnertyp, also von welcher Seidenraupe die Fasern stammen, nach Herstellungsweise und nach Gewebeart. Beim ersten Merkmal gibt es u. a. die Maulbeerseide vom Maulbeerspinner, die Tussahseide vom Japanischen Eichenseidenspinner und die Fagaraseide vom Atlasspinner. Die Maulbeerseide etwa besteht aus sehr langen, feinen und gleichmäßigen Fäden, wodurch das Textil sehr edel wird und zu den hochwertigsten Materialien zählt.
Die Fäden aus den gesponnenen Raupenkokons werden durch mehrere Arbeitsschritte gewonnen. Zuerst werden die verpuppten Raupen durch heißes Wasser abgetötet. Jeder Kokon besteht aus einem langen und feinen Filament. Mehrere Filamente werden zusammen abgewickelt bzw. gehaspelt, sodass sie sich zu einem Seidenfaden verkleben. Anschließend werden sie zur Reinigung gekocht und meist noch chemisch veredelt. Da Seide eine Naturfaser ist, nimmt sie Farbe hervorragend an, weswegen Seidenstoffe vor allem für ihre Drucke und Farben bekannt sind.
Je nach Teil des Kokons entstehen unterschiedliche Seidenarten. Die besonders feine Haspelseide besteht aus Fäden, die aus dem Mittelteil des Kokons stammen. Die weiche und matte Schappeseide setzt sich aus Fasern zusammen, die etwa 15 mm lang sind und aus dem Kokonanfang und -ende kommen. Kürzere Fasern und Kokonreste werden zur Bouretteseide verarbeitet. Letztgenannte ist daher mittelfein bis grob und hat eine unregelmäßige Struktur.
Im Handel gibt es unterschiedliche Textilien aus der Naturfaser. Die geläufigsten Seidenstoffe sind Chiffon, Organza, Crêpe de Chine, Crêpe Georgette und Satin. Sie greifen dabei auf eine der beiden Haupteigenschaften von Seide zurück. Leichten und zarten Kreppgeweben wie Chiffon und Crêpe kommt das geringe Eigengewicht des Seidenfadens zugute, sie werden dadurch besonders luftig. Außerdem fühlen sie sich angenehm auf der Haut an und kühlen im Sommer. Satin hat durch seine Atlasbindung bereits einen sanften Schimmer, der durch die Verwendung von Seide nochmals verstärkt wird.
Seide nähen
Seide zählt zu den feinen Stoffen, die aufwendiger zu verarbeiten sind. Beim Zuschnitt ist der Rollschneider mit Schneidematte Euer bester Freund, weil das Material sich so am wenigsten bewegt. Achtet vor allem darauf, dass die Klinge und Stecknadeln einwandfrei sind, um den Stoff nicht zu beschädigen. Außerdem solltet Ihr vorher versuchen, den Mittelbruch von der Lagerung herauszubügeln. Wenn er sich nicht entfernen lässt, verbleibt er auch später nach dem Waschen. Schneidet dann Eure Schnittteile um diesen Bruch herum. Beim Nähen gilt: Je feiner das Textil, desto feiner die Nähmaschinennadel – zum Beispiel sind Mikrotexnadeln bestens für dünnen Chiffon geeignet. Stichlängen von 2–2,5 mm sind üblich. Als Stabilisierung könnt Ihr spezielle Einlagen aufbügeln, die für diese Stoffart gedacht sind, oder beim Nähen Seidenpapier oder Stickvlies unterlegen, welches Ihr im Nachhinein abreißt. Die Französische Naht ist eine beliebte Technik bei transparenten Stoffen, um die Nahtzugaben einzufassen. Ansonsten solltet Ihr bei den anderen Stoffqualitäten die Nahtzugaben sorgsam versäubern. Bügelt bei blickdichten Geweben am besten von links und trocken, da sonst Wasserflecken entstehen können.
Seide ist die Diva unter den Textilien, aber dafür entschädigt sie mit ihrem unglaublichen Glanz, ihrer Leichtigkeit und ihrem Hautgefühl! Da lohnt es sich, tolle Designs aus ihr zu nähen.
Für welches Projekt würdet Ihr Seide verwenden?
Bilder: shutterstock
Conny Biser am
Danke